Friedrich von Esmarch

Mitbegründer der ersten Hilfe in Deutschland und Unfallchriurg


Dr. Friedrich von Esmarch wurde in der Neustadt 39 in Tönning geboren am 9.1.1823 und stammte aus einer alten schleswig-holsteinischen Pastoren- und Juristenfamilie. Bereits 1830 zog die Familie nach Rendsburg, wo sein Vater als Arzt tätig war. Angeblich war er nur ein mäßiger bis schlechter Schüler, konnte aber trotzdem das Studium der Medizin in Kiel aufnehmen.

Dort studierte er bei sehr damals bekannten Professoren: von Langenbeck, der 1847 in Kiel die Äthernarkose einführte und bei Stromeyer. Eine kurze Zeit war er auch in Göttingen Student. Im Jahre 1848 promovierte von Esmarch zum Doktor der Medizin.

Unfallchirurg

Ab 1854 wurde er Direktor des Chirurgischen Klinikums in Kiel. Bis 1898 blieb er Direktor des Chirurgischen Universitätsklinikums, eine einflußreiche Stellung, die er für die Einführung vieler neuer Methoden nutzte. Besonders wandte er sich der Kriegschirurgie zu. 1870 wurde er Generalarzt und beratender Chirurg der Armee. Aus dieser Rolle heraus entwickelte er sich zu einem der bedeutensten Unfallchirurgen des 19. Jh. und stellte 1877 einen von ihm entwickelten Chloroformnarkoseapparat der wissenschaftlichen Öffentlichkeit vor. 
 

Erste Hilfe in Deutschland

Im Sommer 1881 hielt sich von Esmarch in London auf und lernte die ”St. John’s Ambulance Association” kennen. Angeregt von diesem Konzept gründete er in Deutschland nach seiner Rückkehr die ”Samariter-Schule”. 
Dabei setze er nicht auf eine breite Förderung sondern auf das Engagement des gehobenen Bürgertums. Mit einem Jahresbeitrag von 10 bis 100 Mark war die Teilnahme und Unterstützung der Einrichtung für den normalen Bürger undenkbar, angesprochen wurden leitende Beamten und wohlsituierte Bürger. Aber das Vorgehen passte in die Zeit und zur Bereitschaft aus gehobener Position soziale Verantwortung durch Gaben zu übernehmen.So gab er damit den entscheidenden Anstoß zum Aufbau von Unfall- und Krankenhilfsdiensten, wie dem Arbeiter Samariter Bund, der sich noch heute im Namen auf diese Leistung Esmarchs bezieht.
Über 100 Samaritervereine gründete Esmarch in Norddeutschland. Und er lieferte auch das Lehr- und Arbeitsmaterial. Mit seinem Buch "Erste Hilfe bei plötzlichen Unglücksfällen" schuf er eine Anleitung für Laien, den Lehrstoff für tausende Schüler aus den Samaritervereinen und prägte damit den Begriff der "Ersten Hilfe".


Esmarch-Denkmal im Tönninger Schlosspark

Auf Friedrich Esmarch geht das Dreieckstuch zur Stütze bei Armverletzungen zurück und er entwicklete zwei wichtige Verfahren, die bis heute angewandt werden und seinen Namen tragen:

Den Esmarch-Heiberg-Handgriff: bei liegenden Bewußtlosen ist der Unterkiefer so vorzuschieben, dass dessen Zähne vor die des Oberkiefers kommen. Hiermit wird der Mundverschluss und damit Atemmangel von Bewußtlosen verhindert und eine Öffnung des Mundes für eine weitere Behandlung vorbereitet.

Die Esmarchsche Blutleere: Beine oder Arme eines Patienten werden gehoben und mit druckvollem Streichen wird Blut aus den Gliedern getrieben. Von außen nach innen wird die Extremität  mit einer Gummibinde umwickelt oder mit einer Druckluftmanschette versehen, um Blutungen bei einer Operation zu vermindern.

Ehren

In Anerkennung seiner Verdienste wurde er 1887 geadelt. Knapp 10 Jahre später entschlossen sich die Stadt Tönning, ihn am 4.6.1897 zum Ehrenbürger ihrer Stadt zu ernennen.
Esmarch verstarb hochgeehrt in Kiel am 23.2.1908.

Chloroformnarkoseapparat

Erstmals 1847 nutzte der englische Geburtshelfer James Young Simpson Chloroform, um die Schmerzen bei der Geburt zu vermindern. Er setzte sich damit harter Kritik der christlich Konservativen aus, die auch damals nicht von Menschlichkeit und der hiermit verbundenen Idee der Christlichkeit sondern vom Dogmatismus geprägt waren. Die angriffe erfolgten nicht weil die Behandlung mit Chloroform hohe Risiken für Mutter und Kind hatte, sondern im Sinne einer unreflektierten Bibeltreue: „ ... unter Mühen sollst du Kinder gebären“ (Genesis 3,16). Schmerzen hatten bis in das 18. Jh. hinein - also 50 bis 100 Jahre vor den Protesten - eine andere sozialpsychologische Bedeutung und galten als göttliche Prüfung - besonders im Zusammenhang mit Tod und Geburt. 

Andere schmerzstillende und meist riskantere Verfahren waren schon sehr lange bekannt. Aber die Nutzung von Alraune (Mandragorawurzel), Bilsenkraut und Opium ließ sich nicht exakt dosieren, wodurch es unweigerlich immer wieder zu Todesfälle kam. Diese bekannte aber gefährliche Hilfe wurde häufig von kräuterkundige Hebammen geleistet - und es kam zu Todesfällen. Als offenkundig beim Patiententod beteiligte wurden sie geeignete Zielpersonen für die mittelalterlich bis frühneuzeitliche Verfolgung von Hexen und Instrument kirchenpolitischer Interessen. Die Schmerzbetäubung besonders im Kontext des Gebährens wurde daraus heraus ein politisches Problem der Kirche, dass den Hexenwahn bis weit in die Neuzeit überlebte.

Auch die Betäubung mit Äther hatte Risiken und daran änderte sich durch die Einführung des bis heute genutzten Chloroforms nicht viel. Der von Esmarch entwickelte Chloroform- narkoseapparat war nur ein Schritt vorwärts:

Der Apparat besteht aus einem Drahtgestell, das mit einem Wolltrikotstoff überzogen ist. Diese Narkosemaske wurde mit einer Zungenzange und einem Tropfrohr samt Chloroformflasche eingesetzt. Das Betäubungsmittel konnte so nun genauer als bei einer Verabreichung mittels Schwamm oder getränkten Tuches dosiert werden, zudem war die Atmung und Vermischung mit Luft gesichert.

Esmarch - ein modern denkender Mediziner ?

Friedrich von Esmarch hat zu technischen Fortschritte der Medizin wichtige Beiträge gegeben. Mit der ersten Hilfe und den Vereinensgründungen hat er medizinische Hilfe zu einer gesellschaftlichen, auch privaten und persönlichen Aufgabe gemacht.

Das folgende Zitat fand ich 2001 auf einer Web-Seite, die sich mit der Haltung von Männern gegenüber Frauen kritisch auseinandersetzt:

Für das Studium der inneren Medizin und der Geburtshilfe mögen manche Frauen wohl geeignet sein, aber die Chirurgie sollten sie allein den Männern überlassen. 
Friedrich August von Esmarch (1823).

Das Zitat ist sicherlich nicht auf das Geburtsjahr 1823 von Esmarch zu datieren und die Aussage fordert aus heutiger Zeit zu Recht Zweifel und Kontra heraus. Wichtiger ist die im Zitat enthaltene indirekte Fürsprache und das unübliche Verständnis, dass auch Frauen Medizin studieren und Ärzte werden können. Damit zeigt sich Friedrich von Esmarch als ein über seine Zeit denkender auch gesellschaftlich der Moderen  aufgeschlossener Mensch. 


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